"Das Wochenfest sollst du halten, das Fest der Erstlinge von der Weizenernte ..." (Exodus / 2. Buch Mose 34:22)
Die Rabbiner verstehen Schawuot als ein Art Gegenpol zu Pessach. Nach dem Abendgebet am zweiten Tag von Pessach zählen wir "Omer". Das ist Hebräisch für "Garben". Wörtlich übersetzt zählen wir also Garben. Das hat auch seinen Grund. Ursprünglich war Schawuot ein Erntefest – ein Fest der ersten Früchte (Chag ha bikkurim). Wir zählen 49 Tage ab Pessach – oder sieben mal sieben Tage danach. Mit anderen Wort: sieben Wochen, also eine "Woche" der Wochen. Deshalb nennen wir es Wochenfest. Und doch dauert Schawuot nur einen Tag, ganz im Unterschied zu Festen wie Pessach oder Sukkot, die tatsächlich eine Woche dauern.
Schawuot wandelte sich in der Diaspora von einem Erntefest zu einem Fest der Offenbarung der Tora (S'man Matan Toratenu). Vergleichen wir: An Pessach erinnern wir uns an die Befreiung. Wir feiern die Freiheit! Nur sieben Wochen später erhalten wir das Geschenk einer Ordnung aus Pflichten, Regeln und Gesetzen. Bleiben wir beim Bild von Saat und Ernte: Wir haben nicht selber gesät, aber wir dürfen "ernten". Unser Ertrag ist die Offenbarung der Tora.
In vielen Gemeinden studieren wir an Schawuot bis in die Nacht hinein Tora. Wir lernen: Ohne Gesetze ist Freiheit nur Anarchie. Es ist eine Freiheit, der es bald an Recht, Gerechtigkeit und Gemeinsinn fehlen wird. Aber ohne Freiheit, das lernen wir ebenfalls, bewirken Gesetze nur Unterdrückung und Sklaverei.
Wir brauchen folglich beides: die Freiheit ebenso wie die Verpflichtungen einer Ordnung. Nur dann können wir als Menschen und als Volk auf eine gesunde Entwicklung hoffen. Gott hat uns eben nicht nur aus dem Sklavenhaus befreit. Er hat uns auch einen Weg gezeigt. Den sollen wir gehen. Wir müssen ihn pflegen, gelegentlich auch modernisieren, aber wir müssen ihm stets folgen. Sonst sind wir zwar der Sklaverei entronnen, verirren uns dann aber in der Wüste und finden nicht mehr heraus.
Schawuot ist also mehr als Blintzes und Käsekuchen essen. Es ist eine Zeit nachzudenken: Was bedeutet für uns Tora? Lohnt es sich für Gott, uns Tora zu geben, wenn wir nicht interessiert sind, Tora zu empfangen? Wie leben wir Tora? Wie verstehen wir die alten Regeln? Wie passen sie zu unseren Problemen heute?
Es gibt viel zu lernen.