Zehn Worte gegen das Chaos.

"Schawu'ot"

(Wochenfest)

"Das Wochenfest sollst du halten, das Fest der Erstlinge von der Weizenernte ..." (Exodus / 2. Buch Mose 34:22)

Im Jahre 2005 - bzw. 5765 nach jüdischer Zeitrechnung - und 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges hat Schawuot, unser Wochenfest, mehrere Bedeutungen.

An Pessach erinnerten wir uns, dass wir einst ein Volk der Vertriebenen, der Zwangsarbeiter und Sklaven waren. Wir erinnerten uns auch an den Versuch des Genozids: Laban der Aramäer wollte alle unsere Vorfahren vernichten, während Pharao "nur" die männlichen Kinder im Nil ertränken wollte. Mit den Satz "Wehi Sche'amda" erinnerten wir uns, das dies noch immer hochaktuell ist: In jeder Generation erleben wir an Pessach diese grausame Geschichte neu.

Einige Wochen später aber an Schawuot werden wir bereits mit den Regeln einer neuen Gesellschaft konfrontiert. Und wir lernen: Ohne gute, gerechte Regeln kann keine Gesellschaft funktionieren. Man hat dann nur Chaos, Anarchie und Terror. An Schawuot feiern wir die Offenbarung vom Berge Sinai. Im Zentrum stehen die sogenannten "Zehn Gebote" oder genauer, die "zehn Worte" (hebräisch: Aseret HaDibrot).

Einige haben mit Gott und der Gesellschaft zu tun - andere mit individueller Verantwortung. Beides ist wichtig: Eine Gesellschaft existiert nicht ohne Menschen, und Menschen können nicht ohne eine Gesellschaft leben. Im Chaos von 1945 – ein Chaos, das nur wenige von uns persönlich erlebt haben – wurden alle diese Regeln und Satzungen gebrochen - häufig bewusst und willkürlich.

  • Es gab Menschen die tatsächlich einen anderen als ihren Gott angenommen hatten.
  • Sie hatten überall von ihm Bilder und Symbole aufgestellt und
  • seinen Namen an die Stelle Gottes gesetzt.
  • Es gab Menschen, die andere ermordeten und ermordet hatten – auch noch in den letzten Kriegstagen.
  • Es gab Menschen, die plünderten und geplündert hatten.
  • Es gab Menschen, die vergewaltigten und vergewaltigt hatten. Sie hatten zahllose Ehen gebrochen.
  • Es gab Menschen die keinen Unterschied mehr kannten zwischen Frieden und Krieg, zwischen Zivilisten und Soldaten.
  • Sie machten für ihre Sklaven nicht mal einen Unterschied
    zwischen Tagen für (Zwangs-)Arbeit und Ruhetagen. Ruhetage
    gab es nicht mehr.
  • Diese Menschen behaupteten, es sei Gottes Wille, dass sich eine Menschenrasse über die Reste seiner Schöpfung erhebt.
  • Sie wollten die Häuser, die Frauen, den Besitz ihrer Nachbarn haben - ganze Nachbarländer, sogar!

Und alle waren Menschen...... wie du und ich.

Und so lernen wir, auch aus der jüngeren Geschichte, wie wichtig es ist, wie überlebenswichtig, dass Menschen nach bestimmten Regeln leben mit gegenseitigem Respekt, mit Rechten und Pflichten - gegeneinander, sich selbst gegenüber und im Verhältnis zu Gott.

Ich wünsche allen erfrischende Schawuot!