„Wir können doch Freunde bleiben.“ Wie oft wird dieser Satz gesprochen, wenn eine Liebe zu Ende geht. Ist er Ausdruck ehrlichen Bedauerns über das Scheitern einer Beziehung oder nur eine Phrase, um einen peinlichen Augenblick zu überbrücken? Manchmal bleibt ja tatsächlich Freundschaft als Essenz einer Beziehung. Aber nur Freundschaft, denn die Tora vertritt eine sehr eindeutige Position: Einen Weg zurück gibt es nicht!
Der Wochenabschnitt Ki Teze handelt unter anderem von Ehe und Scheidung. Wörtlich heißt es: „Wenn jemand eine Frau nimmt und sie ehelicht, sie aber dann nicht mehr Gnade in seinen Augen findet, weil er an ihr etwas Schändliches gefunden, und er ihr einen Scheidebrief schreibt, ihn ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Haus entlässt, sie aber, nachdem sie sein Haus verlassen, hingeht und eines anderen Frau wird, dann aber auch ihrem zweiten Manne verhasst wird, so dass auch er ihr einen Scheidebrief schreibt, ihn ihr in die Hand gibt und sie aus seinem Hause entlässt, oder wenn der zweite Mann, der sie sich zur Frau genommen hat, stirbt, so darf ihr erster Mann, der sie entlassen hat, sie nicht wiederum nehmen, ..."[1]“
Ist hier nur die Sprache altmodisch oder auch der Inhalt? Dieser Text ist alt und aus patriarchalischer Perspektive geschrieben, aber er sollte deswegen, so denke ich, nicht automatisch als ‚primitiv’ oder ‚frauenfeindlich’ angesehen werden.[2]. Wesentliche Erfahrungen darin sind uns durchaus vertraut: Menschen verlieben sich, heiraten und irgendwann sieht vielleicht der eine im anderen nicht mehr den Partner für den Rest seines/ihres Lebens. Sie trennen sich. Das Judentum erlaubt eine Löschung des Ehevertrags. Die Frau geht frei heraus, wird nicht stigmatisiert, darf wieder heiraten [3] Es kann ebenso passieren, dass eine Frau verwitwet ist. Auch sie darf einen Neubeginn machen, darf wieder heiraten. Ein Mann, der einmal eine Frau aus seinem Leben ausgeschlossen hat, darf sie, wenn sie mit einem anderen Mann verheiratet war, nicht zurücknehmen, auch wenn er seinen Beschluss bereut hat. Das Leben geht weiter: Vorwärts, nicht rückwärts.
Die alten Texte sprechen wenig von Emotionen und Romantik, sie betonen Rechte, Pflichten, Familien- und Stammesidentitäten. Die Verbindung der Ehepartner steht im Vordergrund: Vaterschaft sollte eindeutig sein, Ehebruch war strengstens verboten. Unsere Vorstellungen von Partnerschaft haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Für uns ist Sex heute nicht mehr zwangsläufig mit Schwangerschaft verbunden und Ehe ist nur noch selten ein verpflichtender Deal zwischen Familien. Frauen haben das Recht, sich einen Partner selbst auszusuchen. Viele heiraten überhaupt nicht mehr.
Das Konzept von ‚der Mann’ und ‚die Frau’ muss neu interpretiert werden. Welche Bedeutungen haben heute noch die ‚Ketuba’, der Heiratsvertrag, und der ‚Get’, der Scheidungsbrief? Die finanzielle Unabhängigkeit der modernen Frau machen die Abschnitte über die Versorgung nach einer Scheidung in einer Ketuba eigentlich überflüssig. Eheverträge werden heute eher bei sehr vermögenden Eheleuten geschlossen, um Vermögensstreitigkeiten vorzubeugen, selten um die Grundversorgung der Frau zu sichern.
Man soll nicht zurückkehren. Gilt das auch für Freunde und Freundinnen, für Partner? Ich denke: Ja. Wenn eine Beziehung zu Ende geht, dann wiegt der Verlust der verlorenen Liebe oft schwerer als finanzielle Verluste. Nicht wenige sind so verletzt, dass sie nicht wissen, wie sie Wut und Schmerz und ihr eigenes Versagen ausdrücken sollen, einige sinnen gar auf Rache. Wie viele verletzende Worte werden in solchen Momenten ausgesprochen. Aber was kann man tun? Was kann man sagen? Wie soll man sich verhalten?
Nun heilt die Zeit sicher viele Wunden. Manchmal finden Partner wieder zueinander. Im Einzelfall ist das sicher kein Problem, aber die Tora fordert Klarheit. Wir können diesen Text auch als eine Warnung gegen eine allzu schnelle und voreilige Trennung lesen. Aber wenn ein solcher Schnitt vollzogen ist, dann sollte gelten: Das Leben geht vorwärts!
„Können wir noch Freunde bleiben? Lass’ uns in Kontakt bleiben, ja?“ Wer kennt diese Sätze nicht? Und wie oft hat es funktioniert?
[1] Deuteronomium / Dewarim 24:1-4 [2] Im Übrigen: Es werden keine Kinder erwähnt. Vielleicht liegt das Problem nur darin, dass der Mann an der Fruchtbarkeit seiner Frau gezweifelt hat... [3] Wenn auch nach einer angemessenen Wartezeit, um bei einer etwaigen Schwangerschaft keinen Zweifel über die Vaterschaft zu haben, und mit der Ausnahme, dass Nachkommen des Priestergeschlechts, die Kohanim, geschiedene Frauen nicht heiraten dürfen.