Vom Shampoo und der roten Kuh.

"Chukat"

(Verordnung)
Numeri / 4. Buch Mose 19:1 - 22:1

Wissen Sie, was in Ihrem Shampoo steckt? Haben Sie je die 'Ingredients' auf dem Etikett gelesen? Diese kleinen Buchstaben mit Begriffen die keiner kennt? Meist handelt es sich um eine Mischung aus Farben, Fetten, Ölen, Stabilisatoren, Duft- und Konservierungsstoffen. Wir kaufen diese Emulsionen, mischen sie mit Wasser, reiben sie in unsere Haare oder verteilen sie auf unserer Haut. Nach der Dusche fühlen wir uns – Aaah! - frischer, sauberer - besser! Warum eigentlich? Weil uns das Etikett verspricht, es würde uns frischer, sauberer und besser machen! 

Schon die frühen Israeliten waren vertraut mit solchen Spezereien aus Düften, Ölen und Farben, oder – wie uns der Wochenabschnitt nahelegt – sie wurden damit vertraut gemacht. In Schemot [1] 30:22f. weist Gott Mose an, ein heiliges Salböl herzustellen: Zimt soll hinein und Myrrhe, wohlriechender Kalmus [2], Kassie [3] und Olivenöl. Später folgt noch ein Rezept für ein duftendes Weihrauchopfer.

Bemidbar [4] 19 (Sidra [5] Chukkat [6]) beginnt mit einer überraschenden Verordnung, einem 'Chok'[7]. 'Chukkim' sind Vorschriften, sie sind gegeben, auch wenn sie nicht vernünftig zu erklären sind. Sie unterscheiden sich von den begründeten Gesetzen, den 'Mischpatim'[8], für die es einen erkennbaren Grund gibt. Dieser Chok legt nun fest, wie eine Salbe hergestellt werden soll, um nach ritueller Verunreinigung wieder rein zu werden: Man soll eine rote Kuh schlachten, sie verbrennen und die Asche mit Zedernholz, Ysop und roter Wolle mischen. Daraus soll der Priester – in unserer Sprache - eine Art Shampoo bereiten: ein Reinigungswasser [9]. Und mit diesem Reinigungswasser können Menschen von ihrer Unreinheit ‘geheilt’ oder ‘gesäubert’ werden. Sie sollen statt ‘tameh’, also unrein, ‘tahor’, rein werden.

Was bedeutet das für uns? Was verstehen wir heute unter ‘unrein’ und ‘rein’? Was ist der Unterschied zwischen beiden Zuständen?

Jeder kennt das Gefühl, etwas körperlich Unangenehmes erlebt zu haben oder etwas berührt zu haben, was einem irgendwie widerlich ist - Unrat zum Beispiel, Hundekot, Blut, bestimmte Körperflüssigkeiten. Oder gar Kontakt zu einer Leiche gehabt zu haben. Was immer es auch sei, man hat dann das Gefühl, sich schnell waschen zu müssen. Unrein (‘tameh’) ist man, vereinfacht gesagt, wenn man sich ‘unrein’ fühlt. Das muss nicht das gleiche wie ‘schmutzig’ oder ‘dreckig’ sein. Ein Gärtner hat Erde an den Händen, ein Handwerker hat sie sich mit Öl oder Staub verschmiert. Beide werden sich sicher waschen, sobald sie ihre Arbeit beendet haben, aber sie haben keinen Grund, vor diesem Dreck zu erschrecken oder sich davor zu ekeln.

Wenn man aber doch in eine solche beklemmende, unappetitliche oder ekelhafte Situation kommt und ein Ritual braucht, um wieder zur ‘Normalität’ zurückzukehren - dann wählen wir heute etwas, um uns davon zu befreien: eine Seife, ein Gel, ein Reinigungsmittel das nach Apfel, Pfirsich oder Zitrone duftet - und Wasser. Und danach können wir uns wieder unserem Alltag zuwenden.

Wer weiß denn schon, was in so einem Gel, in einer Creme oder einer Seife steckt? Möchte man das so genau wissen? Vielleicht ist es sogar besser, es nicht zu wissen!  Wichtig ist, es sieht gut aus, es riecht gut, und man fühlt sich nach dem Waschen besser.

So zum Beispiel kann man diese Verse verstehen. Es ist an der Zeit, sich langsam auf Pessach vorzubereiten. Dafür braucht man geeignete Putzmittel - nicht nur für Schränke und Schubladen und Wohnungen, sondern auch für Menschen, die im spirituellen Sinne, den Dreck des vergangenen Jahres abwaschen möchten. Denn sie sollen ‘rein’ zum Pessach Seder kommen können. Sie sollen wirklich befreit sein, damit sie in der Lage sind, die Befreiung zu feiern. Dafür braucht man Zeit, Wissen  und Können. Damals war der Priester dafür zuständig. Schöne, fehlerfreie rote Kühe waren nicht leicht zu finden, aber dadurch gewann dieser rätselhafte Ritus sein Gewicht. Heute kommen wir ohne die 'Parah Adumah' (die rote Kuh) aus! Aber das Prinzip der 'rituellen Reinigung' können wir auch heute noch verstehen. Es hat an Bedeutung nicht verloren.

[1] auch ‘Exodus’ oder 2. Buch Mose       [2] eine Art Schilfrohr mit einem aromatischen Wurzelstock      [3] gemeint ist Zimtblüte (nicht identisch mit Zimt)    [4] auch 'Numeri' oder 4. Buch Mose      [5] aramäisches Wort für 'Ordnung', ein anderer Begriff für das hebräische 'Parascha' (=Einteilung). Im Deutschen üblich: Wochenabschnitt       [6] Wochenabschnitt Chukat (Verordnung): Numeri (4. Buch Mose) 19:1 – 25:9      [7] hebräisch für 'Satzung, Ordnung, Bestimmung'       [8] 'Mischpat' (Singular), hebräisch für 'Recht, Gesetz'      
[9] Numeri (4.
Buch Mose) 19:9